Episode 2 – Kolumne „Die Kraft der eigenen Marke“
“Wenn Du als Frau Karriere machen willst, brauchst Du eine gute Marke”. Echt jetzt? Ein Mensch als Marke, wie ein Produkt in der Werbung?
Dieser Gedanke weckte bei mir zwei Gefühle: einerseits Irritation, weil ich “Marke” immer mit einem “Produkt”, einer Sache also, verbinde, und nicht mit einem Menschen. Andererseits Neugier, weil man die Charakteristika einer Marke sicher auch ganz gut auf die Wahrnehmung von Menschen übertragen kann. Die Neugier hat gesiegt, und daher fragte ich mich: Wofür stehe ich als Persönlichkeit? Welche Werte verkörpere ich, wie würden andere mich beschreiben? Mit anderen Worten: was ist meine Marke?
Wer sich damit schon einmal beschäftigt hat, wird vielleicht feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, diese Fragen zu beantworten. Gleichzeitig nehmen unsere Kolleg:innen Tag für Tag wahr, wie wir uns verhalten und ziehen meist sogar unbewusst Schlüsse zu diesen Fragen. Diese Schlüsse können darüber entscheiden, ob jemand befördert wird oder jahrelang im gleichen Job festsitzt.
“Ich habe viel darüber nachgedacht und mich bewusst entschieden“, sagt Anna Kopp, IT Director Deutschland bei Microsoft, und hat sich früh entschieden, wofür sie stehen möchte. “Ich wollte die Person sein, die einfach alles weiß, wie etwas geht und wer was kann. Und das bedeutet, ich musste mich mit allen austauschen”, sagt sie im Podcast. So hat sie intensiv am Netzwerk gearbeitet, “egal ob Putzpersonal oder Chef”, und hat dadurch früh erste Leadership Rollen angeboten bekommen, “möchtest Du nicht dieses Projekt machen, möchtest Du dieses Team aufbauen”.
Wie kommt man auf die eigene Marke? Auf der Suche nach Antworten können ein paar Fragen helfen:
- Was ist meine Passion, wofür brenne ich leidenschaftlich? (Leidenschaftlich heißt fast schon wortwörtlich, dass ich bereit sein muss, in gewisser Weise dafür zu leiden)
- Welche Veränderung in der Welt möchte ich helfen zu erreichen? Je konkreter, desto besser lassen sich daraus Handlungen ableiten
- Welche Art von Arbeit mache ich am liebsten? Alleine oder gemeinsam; analytisch oder kreativ; lieber mehr Routine oder viel Neues; gehe ich gerne Risiken ein oder lieber nicht?
- Wie interagiere ich am liebsten mit anderen?
Wer sich über die Fragen klar wird, hat bereits den Nukleus der eigenen Marke in der Hand. Die Marke ist ja nicht nur Fassade, nur Darstellung, sie ist vielmehr die Essenz, eine innere Haltung. Viele Frauen sind fleißig, arbeiten hart, sind gut ausgebildet und sehr smart, und fragen sich: Warum sitze ich nach 10 Jahren immer noch hier? – “Aber wenn das alles ist, wirst Du nicht befördert, weil Du zu wichtig in deinem aktuellen Job bist”, gibt Anna zu bedenken.
Die Marke muss also einen größeren Wert haben, als den aktuellen Job zu erfüllen. Es muss die Potenziale aufzeigen: welche eigene Entwicklung möglich ist (sich selbst führen), welche Führungsrollen in Frage kommen (andere führen), und welche Effekte das in der Welt haben kann (einen Teil der Welt führen). Dabei größer zu denken, als man sich das heute zutraut, ist durchaus gewünscht, weil es hilft, das eigene Verhalten über die aktuelle Position zu stellen.
Stolz erzählt Anna von der Situation, als sie in eine neue Leadership Rolle eingestellt wurde und sie fragte: “Did you hire me because I’m a female candidate?” – “No, I hired you because you’re Anna”.