Kolumne Episode 35. Fünf Tipps zum Führen mit Instinkten

In unserer Arbeitswelt gilt immer noch die Maxime, alles gut zu durchdenken und planvoll zu handeln. Natürlich kann man auch mal Experimente machen, aber bitte unter klaren Rahmenbedingungen. 

Dennoch erleben wir immer wieder, dass es einerseits nicht immer funktioniert, weil Menschen auch starke Instinkte und Emotionen haben, andererseits vielleicht auch manchmal etwas Instinktives, nicht durch kompromisslose Ratio und umfassende Political Correctness Gefiltertes seinen Platz haben kann und muss, zum Beispiel bei strategischen Entscheidungen oder wenn es um das Miteinander geht. Denn machen wir uns nichts vor: Wirtschaftsleben ist nicht nur durchdacht, und erst recht nicht immer planvoll gehandelt. Es gibt Fehler, und wenn man damit nicht gut umgeht, entsteht daraus unreflektiertes, politisches Denken und Handeln, das langfristig Unternehmen schaden kann.

Tina Dreimann, Gründerin und Geschäftsführerin von better ventures, schildert im Podcast “Kultur wandle Dich!” Situationen, in denen sie “besser auf das Bauchgefühl gehört hätte”.  Instinkte sind auch heute schon ein wichtiger Teil unseres Wahrnehmens und Handelns, aber wir tendieren sie zu unterdrücken oder zu rationalisieren. Dieser Artikel ist ein Plädoyer, die Instinkte anzunehmen und mit ihnen bewusst zu arbeiten.

Tipp 1: Akzeptiere die Präsenz Deiner Instinkte

Instinkte sind grundlegende menschliche Reaktionen, die in uns verankert sind. Sie haben sich im Laufe der Evolution entwickelt, um uns in verschiedenen Situationen zu schützen. Diese Instinkte können in der Führung von unschätzbarem Wert sein, da sie oft als Frühwarnsysteme fungieren und uns auf potenzielle Herausforderungen oder Chancen hinweisen. Sie zu akzeptieren bedeutet, ihre Existenz anzuerkennen und ihnen Raum in unserem Entscheidungsprozess zu geben.

Höre in Dich hinein, wenn eine Situation in Dir körperliche Reaktionen wie Unwohlsein oder Euphorie auslöst. Hinterfrage Deine spontanen Reaktionen auf Reize von außen. Was davon ist ein Instinkt? Sie sind da – lerne sie zu erkennen.

Tipp 2: Lerne Emotionen und Instinkte zu unterscheiden

Es ist wichtig zu erkennen, dass Emotionen und Instinkte zwei verschiedene Dinge sind. Emotionen sind oft das Ergebnis von Gedanken und Überlegungen, während Instinkte schnell aufkommende Reaktionen auf äußere Reize sind. Ein bewusstes Führungsverhalten erfordert die Fähigkeit, zwischen diesen beiden zu unterscheiden. Emotionen können rational verarbeitet werden, während Instinkte eher auf die Intuition vertrauen. Indem man diese Unterscheidung trifft, kann man besser entscheiden, wie man auf sie reagiert. Grundsätzlich lohnt es sich, beiden ein Gehör zu schenken.

Versuche zu unterscheiden, was ein Instinkt und was eine Emotion ist. Eine Emotion kann in der Führung sehr hilfreich sein, wenn Du zum Beispiel Deine Passion für Nachhaltigkeit erklärst, um Deinen Kindern eine bessere Welt zu hinterlassen. Die Tränen in Deinen Augen werden Deine Zuhörer:innen nicht kalt lassen. Instinkte hingegen kommen spontan und manchmal auch unerwartet, Du kannst sie nicht abrufen. Aber Du kannst sie erkennen, zum Beispiel wenn Du ein Verhalten instinktiv für aggressiv oder sexistisch hältst. Überlege vorher, wie Du auf solche Instinkte reagieren möchtest.

Tipp 3: Schätze Situationen instinktiv ein

Unsere Instinkte können subtile Hinweise auf die Stimmung, den Erfolg oder die Gefahr in einer gegebenen Situation geben. Indem wir unsere Sinne schärfen und lernen, auf diese Signale zu achten, können wir besser vorbereitet sein und angemessen reagieren.

Gerade unsere spontanen Reaktionen auf Instinkte können sehr kraftvoll sein; dennoch kann es sinnvoll sein, sich vorher darüber Gedanken zu machen, welche Art von Instinkten Du zeigst und welche Du (zunächst) unterdrückst. Neben der klassisch-rationalen Einschätzung einer Situation ist aber in jedem Fall die instinktive Einschätzung auch hilfreich: Wie ist die Energie im Raum/Call? Gibt es starke Gefühle wie Aggression oder Misstrauen? Möchte ich eher verweilen oder wieder weg? Überlege Dir, ob es anderen ähnlich geht, um dann zu entscheiden, ob Deine Intervention hilfreich sein kann.

Tipp 4: Sprich über Deine Instinkte und höre anderen zu

Offene Kommunikation über unsere Instinkte ist entscheidend, um ein Verständnis für unser Denken und Handeln zu schaffen. In der Führung ist es wichtig, ehrlich darüber zu sein, wie Instinkte in unsere Entscheidungsfindung einfließen. Gleichzeitig ist es genauso wichtig, anderen zuzuhören und ihre Perspektiven zu verstehen. Dies ermöglicht eine bessere Zusammenarbeit und fördert ein tieferes Verständnis. Was sagt dein Bauch, was sagt dein Kopf?

Tipp 5: Gib Deinen Instinkten Raum, aber auch Leitplanken

Während Instinkte wertvoll sind, sollten wir ihnen nicht blindlings folgen. Es ist wichtig, eine Balance zu finden, indem man ihnen Raum gibt, aber auch klare Leitplanken setzt. Das bedeutet, bewusst zu entscheiden, wann man auf seine Instinkte vertraut und wann man sie kritisch reflektiert, um mögliche Voreingenommenheit zu vermeiden. Die richtige Balance zu finden, ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Führung.

Ist das Führen mit Instinkten erlernbar? Ja. Ist es sinnvoll? Ja. Also bleibt uns nur, unserem Instinkt zu vertrauen und Euch zuzurufen: “Probiert es aus!”

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Zum Vertiefen: Diese Ressourcen bieten eine breite Palette von Perspektiven und Einblicken in die Rolle von Instinkten in der Führung:

  • “Thinking, Fast and Slow” von Daniel Kahneman:

Dieses Buch bietet einen faszinierenden Einblick in die menschliche Denkweise und die Rolle von Intuition und rationalen Entscheidungen. Kahneman, ein Psychologe und Nobelpreisträger, untersucht, wie unser Gehirn schnelle, intuitive Entscheidungen trifft und wie diese unsere Führungsfähigkeiten beeinflussen.

  • “Blink: The Power of Thinking Without Thinking” von Malcolm Gladwell:

Malcolm Gladwell untersucht in diesem Buch, wie unsere intuitiven Entscheidungen oft schneller und genauer sein können als gründliche Analyse. Er beleuchtet, wie diese spontanen Entscheidungen in verschiedenen Situationen, einschließlich Führung, von entscheidender Bedeutung sein können.

  • “Conscious Leadership: Elevating Humanity Through Business” von John Mackey und Raj Sisodia:

Dieses Buch bietet Einblicke in die Prinzipien des bewussten Führens, einschließlich der Verbindung zwischen Intuition und bewusster Entscheidungsfindung. Es betont die Bedeutung eines holistischen Ansatzes für die Führung.

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