Kolumne Episode 15. Fünf Tipps für Digitalisierung von einer Digital-Immigrantin

Wer mit 58 Jahren freiwillig wieder eine Schulbank drückt, hat dafür gute Gründe. “Im Leben geht es immer um Mut und den Aufbruch ins Unbekannte”, findet Monika Rührup im Podcast “Kultur wandle Dich!”, ein weises Lächeln im Gesicht. Sie besuchte eine Schule für Digitalisierung, “weil mich das Thema Digitalisierung immer mehr interessiert hat”. Eine waschechte Digitalimmigrantin erzählt aus ihren Erfahrungen der Ausbildung und den ersten Jahren als Digitalisierungsberaterin.

Tipp eins. Versammle eine Allianz von Willigen und lass sie machen

Es gibt in jeder Firma eine Reihe von interessierten und innovationsfreudigen Mitarbeitern, die meist sogar verstreut über alle Abteilungen hinweg auffindbar sind. Nutze diese Allianz der Motivierten, um eine Digitalisierungs-Task Force zu bilden, die quer durch alle Bereiche sich Dinge vornehmen kann, sie optimiert, ausprobiert, und am Ende des Tages auch dafür verantwortlich ist, sie in der gesamten Firma umzusetzen. Statte sie mit zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten aus. Es ist nicht notwendig (oder sinnvoll), alle Mitarbeiter aus ihren bisherigen Linientätigkeiten freizustellen, aber ein Mindestmaß von mehreren Tagen pro Monat an frei verfügbarer Zeit ist hilfreich. Auch sollte in diesem Kontext finanzielle Ausstattung zur Verfügung stehen, zum Beispiel, um neue Software auszuprobieren, sich kleinere Dienstleistungsaufträge zu beschaffen, oder auch mal Trainings und Schulungen zu besuchen. Auch kann es hilfreich sein, die üblichen Prozesse von Einkauf und anderen unterstützenden Einheiten ein Stück zu flexibilisieren, damit Beschaffungsprozesse nicht wie üblich im industriellen Kontext 4-8 Monate dauern, sondern 4-8 Wochen.

Tipp zwei. Weglassen vor Automatisieren vor Digitalisieren

Der größte Fehler, den Unternehmen bei der Digitalisierung begehen können, ist die Übertragung althergebrachter manueller Prozesse in eine neue Software. Denn dadurch bleiben die Prozesse zumindest semi-manuell, es findet keine Geschwindigkeitsbeschleunigung statt, und die Mitarbeiter sind weiterhin mit eher wertschöpfungsarmen Tätigkeiten beschäftigt. Da muss es das Ziel sein, eine klare Priorisierungslogik zu verfolgen. “Man muss auch mal etwas weglassen können.“, sagt Monika dazu. “Das sollte das erste sein, mal alte Zöpfe abzuschneiden”.
Wenn das nicht geht, oder aus regulatorischen und gesetzlichen Gründen nicht erlaubt ist, sollte man versuchen zu automatisieren. Das bedeutet, einen Prozess so weit wie möglich zu verschlanken und dann die Schritte, die durch Menschen durchgeführt werden, durch eine Software ausführen zu lassen. Das kann bedeuten, dass gewisse Entscheidungs- und Freigabeprozesse komplett umgestellt werden müssen. Hier wäre zum Beispiel eine Idee, Freigabeprozesse nach dem Vieraugenprinzip tatsächlich nur mit vier Augen stattfinden zu lassen, statt wie sonst mit sechs oder acht. Im niederschwelligen Wertbereich sollte es auch möglich sein, Freigaben komplett ohne menschliches Zutun zu erzeugen, wenn es dafür klare Regeln gibt. Diese Regeln können von Menschen von Zeit zu Zeit überprüft werden, damit es nicht zu Missbrauch kommt.
Erst wenn all diese Möglichkeiten ausgeschöpft sind, dann sollte man beginnen, bestehende Schritte zu digitalisieren, d.h. von manuellen Aktivitäten auf elektronische Aktivitäten und Dokumente umzustellen.

Tipp drei. Impulse von außen holen

Viele Ideen können natürlich auch von innen aus einer Firma herauskommen. Da gibt es allerdings das Risiko des eigenen Tellerrandes. Diese besteht in zwei Ausprägungen, erstens dem Not-Invented-Here-Syndrom. D.h. wenn eine Abteilung X eine gute Idee hat, die für die Abteilung Y angewendet werden kann, findet die Abteilung Y das aus verschiedensten Gründen nicht umsetzbar. Oder aus Prinzip. Das zweite ist die Beschränkung auf die eigenen Ideen, die nicht unbedingt immer mit dem, was am Markt verfügbar ist, abgeglichen sein müssen. Wir haben häufig einen confirmation bias, also die Neigung, eine Information, die unserem Weltbild entspricht, mehr Gewicht beizumessen als aus unserer Sicht konträren Informationen. Dieser bias führt dazu, dass Innovation meist nicht gesehen oder wertgeschätzt, geschweige denn umgesetzt wird. Es hilft also auf jeden Fall, wenn sich alle Teile des Unternehmens darum bemühen, sich Impulse auch von außenstehenden Organisationen, Institutionen und Unternehmen zu besorgen. “Wichtig ist, dass man sich Impulse von außen holt“, gibt auch Monika zu bedenken.

Tipp vier. Der Vorstand geht vorweg

Wie bei allen Veränderungsmaßnahmen achten die Mitarbeiter sehr genau darauf, wer sich wie an diesen Maßnahmen beteiligt. Aus dem Tipp eins ging ja schon hervor, dass es eine unternehmensweit übergreifende Taskforce aus Freiwilligen geben sollte. Das ist aber nicht genug. Wenn nun die operativen Ebenen sich zusammentun und etwas Neues gestalten wollen, kann es immer noch dazu kommen, dass das Top-Management zu zögerlich ist und zu viele Bedenken äußert, im guten Glauben, die Firma vor Gefahren zu bewahren, aber in Wirklichkeit die Zukunft einer Unternehmung aufs Spiel setzt. Da müssen alle Top-Manager, inklusive des Vorstands beziehungsweise der Geschäftsführung, an diesem Prozess aktiv und vor allem sichtbar teilnehmen. “Ich habe meine Geschäftsführer auch mal auf eine Digital-Messe mitgenommen”, erklärt Monika. “Danach haben sie anders über unsere Firma nachgedacht.”

Tipp fünf. Probiert es einfach aus!

In ihrer digitalen Weiterbildung hat Monika viele neue Impulse mitgenommen. Auch wenn sie nicht alles davon direkt im Arbeitsalltag benutzen konnte, sagt sie: “Allein, dass ich mich mal mit etwas Neuem beschäftigen musste, hat mir sehr geholfen, die Berührungsängste zu verlieren.” In diesem Sinne: Hier sind ein paar Tools, die Monika Aha-Momente beschert haben. Versucht euch doch einfach selbst mal daran:

  • Growth Hacking
    ist ein Prozess, mit dem Unternehmen neue Ideen in Hochgeschwindigkeit umsetzen und auf dem Markt testen können. Der Ideenhorizont erstreckt sich dabei über Marketing, die Produktentwicklung bis hin zu Produktion und Logistik.
  • OKR-Methode
    ein Rahmenwerk für Ziele, um unternehmerische Entwicklung zu steuern und Strategien umzusetzen. Es ist auch eine sprachliche Konvention, um über Ziele zu sprechen. Jedes OKR besteht aus einem objective (wo will ich hin) und dem dazugehörigen key result (wie messe ich den Erfolg).
  • Effectuation
    eine unternehmerische Entscheidungslogik für Situationen mit hoher Ungewissheit. Diese Denk- und Vorgehensweise wurde von Saras D. Sarasvathy, Professorin für Entrepreneurship (Darden School of Business) an erfolgreichen StartUps beobachtet und beruht auf der Grundidee, dass es keine linear-kausale Vorhersagbarkeit der Zukunft gibt. Stattdessen gibt es Dinge, die man als Unternehmer:in kontrollieren kann, die zur Erreichung von Fortschritten eingesetzt werden können.
  • Shift Board-Methode
    um eine Einschätzung zu machen, ob und wie weit ein Unternehmen auf dem Weg zur digitalen Transformation ist. Es werden 8 Dimensionen bewertet. Nach dieser Bewertung kann man eine digitale Roadmap entwickeln. Die Methode kann man gut mit der bekannten SWOT-Analyse kombinieren.
  • Innovation Culture – Design Insights aus der Natur nutzen
    “Diese Denkweise hat mir als Natur- und Gartenfan auch besonders gefallen, sich an der Natur als sehr komplexes System zu orientieren.”, beschreibt Monika ihre Einschätzung.
  • IOWA – Influence others without authority
    wie nehme ich Menschen mit, ohne Autorität auszuüben. Diese Methode, die gerade in der Digitalisierung immer wichtiger geworden ist. Sie setzt darauf, Menschen durch einen gemeinsamen übergreifenden Zweck, argumentative Überzeugung, gemeinsame Werte und gute persönliche Beziehungen zu überzeugen.

Inzwischen ist Monika Rührup als erfolgreiche Unternehmerin und Digitalberaterin für viele andere Firmen unterwegs. Ihr Beispiel belegt, wie wichtig es ist, auch die Perspektiven einer digitalen Immigranten mit aufzunehmen, wenn es um die Formulierung von Digitalstrategien geht.

Die Geschichte zeigt zweierlei: erstens, wie wir auch in fortgeschrittenem Alter komplett Neues lernen können; und zweitens, wie wir unsere Wirtschaft und Gesellschaft im Zusammenspiel von jung und alt umgestalten können. Ist das nicht ein hoffnungsfroher Impuls für unsere Zukunft?

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